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ILISU UPDATE
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Wien, 12. April 2006
1. Nationaler Sicherheitsrat der Türkei: Ilisu Staudamm nicht mit EU-Recht konform
2. Bericht der türkischen Menschenrechtsorganisation zu Ausschreitungen der vergangenen Wochen
3. Klage beim Europäischen Menschenrechtsgerichts gegen die Türkei, Österreich und Deutschland
4. Massive Informationsdefizite und große Ablehnung des Ilisu-Projektes in betroffenen Dörfern


1. Nationaler Sicherheitsrat der Türkei: Ilisu-Staudamm nicht mit EU-Recht konform

Wie die Zeitschrift Focus am 10 April berichtete, ist dem Nationalen Sicherheitsrat der Türkei sehr bewusst, dass der Bau des Ilisu-Staudamms nicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Der Bau des Ilisu-Staudamms müsse unbedingt fertiggestellt sein, bevor die Türkei im Zuge ihres EU-Beitritts an europäisches Recht gebunden werde. Da es sich beim Tigris um einen grenzüberschreitenden Fluss handelt, dürfe er nach EU-Norm nicht ohne das Einverständnis der Anrainerstaaten Irak und Syrien aufgestaut werden.

Dies ist ein offenes Eingeständnis, dass der Bau des Ilisu-Staudamms nicht nach internationalen Standards erfolgt, denn auch das Völkergewohnheitsrecht sieht die Information und Konsultation der Flussanrainer vor.


2. Bericht des türkischen Menschenrechtsvereins zu Ausschreitungen der vergangenen Wochen

Am 6. April zog der türkische Menschenrechtsverein IHD in Diyarbakir Bilanz über die gewaltsamen Ausschreitungen, die die Region in Folge der nach dem kurdischen Neujahrsfest durchgeführten Militäroperationen erschütterten. Anlässlich der Beerdigung von vier Guerilleros, die bei den groß angelegten Militäraktionen getötet worden waren, kam es zu Massendemonstrationen, auf die die Sicherheitskräfte wiederum mit massiver Gewalt reagierten. In der Provinzhauptstadt Diyarbakir und anderen Städten herrschte tagelang der Ausnahmezustand. Wie IHD nun zusammengetragen hat, kam es dadurch, dass die Polizei scharfe Munition verwandte, um die Unruhen einzudämmen, zu zehn Todesfällen unter Zivilisten, darunter fünf Kinder und Jugendliche. Mindestens 175 weitere Zivilisten wurden teilweise schwer verletzt; über 500 Menschen wuden festgenommen, darunter 200 Minderjährige. Wie IHD feststellt, wurde dabei willkürlich vorgegangen, auch Unbeteiligte wurden verhaftet, und es kam in vielen Fällen zu menschenunwürdiger Behandlung, Misshandlungen sowie Folter. Dies zeigt, wie sehr das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit im Südosten der Türkei nach wie vor eingeschränkt ist. Dass die Meinungen der vom Ilisu-Staudamm Betroffenen in dieser Atmosphäre Gehör finden und Konsultationen stattfinden können, die internationalen Standards gerecht werden, erscheint illusorisch.

Eine Übersetzung des Berichts der Menschenrechtsorganisation IHD steht unter www.weed-online.org/ilisu zum download zur Verfügung.


3. Klage beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegen die Türkei, Österreich und Deutschland

Im März 2006 reichten der Herausgeber der Zeitschrift Atlas, Ozcan Yuksek, der Archäologe Prof. Olus Arik, die Architektin Zeynep Ahunbay und der Rechtsanwalt Dr. Murat Cano Klage sowohl vor türkischen Gerichten als auch beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegen die Zerstörung der antiken Stadt Hasankeyf ein. Sie fordern, dass Hasankeyf nach der Europäischen Konvention zum Schutz des Kulturellen Erbes erhalten werden müsste. Die versprochene Umsetzung der Monumente sei dem Kulturgut unangemessen und technisch nicht realisierbar, zudem stünden Alternativen zur Energiegewinnung bereit, die die Überflutung Hasankeyfsüberflüssig machen würden. Beklagt wird nicht nur die türkische Regierung, sondern auch Österreich und Deutschland, sollten sie die Bürgschaften für den Bau des Ilisu-Staudamms gewähren.


4. Massive Informationsdefizite und große Ablehnung des Ilisu-Projekts in betroffenen Dörfern

Der Vertriebenen-Verein von Batman (Göc-Der) hat 6 eine detaillierte Umfrage in den vom Ilisu-Staudamm betroffenen Siedlungen durchgeführt. Die Zuge der Umfrage wurden über mehrere Wochen zwischen 27. Februar 2006 – 20. März 2006 ausführliche Interviews mit insgesamt 1225 Personen in betroffenen Siedlungen geführt. Die Umfrage stellt ein massives Informationsdefizit fest: 78 % der Befragten wissen nicht, welche positiven oder negativen Auswirkungen Talsperren haben. Fast 90 % wissen nicht, dass sie in das Projekt und seine Planung einbezogen werden sollten. Bei den im Rahmen des Umsiedlungsplans erfolgten Befragungen wurde den Betroffenen hauptsächlich vermittelt, dass hohe Entschädigungen gezahlt werden und ein neues Dorf errichtet würde. Ca. 70 % der Befragten wissen jedoch nicht, wie sie nach einer Umsiedlung in die Stadt ihren Lebensunterhalt verdienen könnten. Insgesamt bewerten über 80 % den Staudammbau und die damit verbundene Umsiedlung negativ und sprechen sich gegen eine Umsetzung des Projekts aus.

Download einer Übersetzung der Feldstudie unter: www.weed-online.org/ilisu

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